Die Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn und der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg erinnerten mit einer bewegenden Veranstaltung an die Verschleppung von 600 Menschen in das Zwangslager Marzahn vor 89 Jahren.
Im Juni 1936, kurz vor den Olympischen Spielen, begannen die Nationalsozialisten mit der Vertreibung von Menschen Berlins, die sie „Zigeuner“ nannten. Rund 600 Berliner Sinti- und Roma-Familien wurden aus ihren Wohnungen geholt und auf ein karges Gelände neben einem Friedhof im heutigen Berlin-Marzahn verschleppt. Dort mussten sie unter katastrophalen Bedingungen leben und Zwangsarbeit für Berliner Unternehmen leisten. Die meisten derer, die dies überlebten, wurden 1943 nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Am Sonntag, dem 15. Juni, luden die Gedenkstätte Zwangslager Berlin-Marzahn und der Landesverband Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg anlässlich des 89. Jahrestags der Verschleppung zur Gedenkveranstaltung. Die Gäste – unter ihnen Angehörige von Überlebenden, Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verbänden und Zivilgesellschaft – kamen zusammen, um der Opfer zu gedenken und sich gemeinsam gegen das Vergessen und gegen aktuelle Formen von Diskriminierung und Rassismus zu positionieren.
„Es gibt keine Familie unter uns Sinti, die nicht vom Völkermord gezeichnet ist“, sagte Petra Rosenberg, Vorsitzende der Gedenkstätte Berlin-Marzahn e.V. und des Landesverbands Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg. Umso schwerer wiege es, dass die Betroffenen jahrzehntelang um Entschädigung und Anerkennung kämpfen mussten – und bis heute Diskriminierung und Rassismus erfahren. Ein wichtiges Signal sei es daher, dass die Bundesregierung das Amt des Beauftragten gegen Antiziganismus und für das Leben der Sinti und Roma in Deutschland mit dem Parlamentarischen Staatssekretär Michael Brand nun doch neu und hochrangig besetzen wolle. Auch die Berufung einer Ansprechperson des Landes Berlin zu Antiziganismus, die im März ihren Dienst in der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung antrat, sei ein Schritt in die richtige Richtung. „Wir freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit“, sagte Rosenberg an die anwesende Alina Voinea gerichtet.
Sie betonte auch, wie viel in Berlin wie auf Bundesebene zu tun bleibt: Der von der Unabhängigen (Bundes-)Kommission Antiziganismus 2021 geforderte Perspektivwechsel hin zu nachholender Gerechtigkeit für Sinti und Roma sei bis heute ausgeblieben. Zugleich machte sie auf das sich verschärfende gesellschaftliche Klima und eine dramatisch gestiegene Zahl rassistischer Angriffe auf Sinti und Roma aufmerksam: „Wir alle sind gefordert, gegen Antisemitismus und Rassismus aufzustehen. Wir sollten laut demonstrieren – und zusammenhalten gegen Hass und Ausgrenzung.“ Ihre Worte wurden mit langem Applaus bedacht.
Auch Falko Liecke, Staatssekretär für Jugend und Bildung in der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie, verknüpfte das Gedenken mit dem Appell, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft entschieden entgegenzutreten. Der Landesverband Deutscher Sinti und Roma mit seiner sozialpädagogischen Beratungsstelle leiste einen wichtigen Beitrag zu „sozialer Gleichstellung, Integration und Teilhabe“.
Die Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, Nadja Zivkovic (CDU), sprach von einem „besorgniserregenden Rechtsruck“ und betonte: „Das Leid, die Verfolgung und die Erniedrigung sind Teil unserer Geschichte – und Geschichte ist unsere Verantwortung.“ Sie erinnerte an Otto Rosenbergs eindringliche Schilderungen in seiner – unter anderem als Graphic Novel vorliegenden – Biografie, etwa dazu, wie seine Familie frühmorgens von der Polizei überfallen wurde.
Roland Borchers, stellvertretender Leiter des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit, verwies auf die Verstrickungen Berliner Unternehmen, die vom Zwangslager profitierten, und auf die Ablehnung vieler Anwohner. Er appellierte an das Land Berlin, die Gedenkstätte Berlin Marzahn stärker in den Fokus der gesamten Stadtgesellschaft zu rücken: „Erinnerung ist keine bezirkliche Aufgabe.“
Zum Abschluss legten zahlreiche Gäste Kränze am Gedenkstein für die ermordeten Sinti und Roma auf dem angrenzenden Parkfriedhof nieder. Unter anderen sandten die Präsidentin des Berliner Abgeordnetenhauses, der Regierende Bürgermeister von Berlin sowie die Präsidentin des Brandenburger Landtages und der Ministerpräsident des Landes Brandenburg einen Kranz. Pater Wilhelm Steenken sprach ein Gebet. Musikalisch begleitet wurde das Gedenken wie in den Vorjahren von Lello Franzen und Janko Lauenberger an der Gitarre.
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